freie Lektorin und Autorin
Auf dieser Seite erwarten Sie Sternzeichen, Mondalter und Sonntagsbuchstaben …
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Die Marienkirche in Rostock steht seit 770 Jahren in der Nähe des Neuen Marktes in Rostock. Informationen zur Geschichte der Kirche, zu ihren sehenswerten Einrichtungsstücken sowie auch zu Aktuellem rund um die Kirche finden Sie auf einer Internetseite der Rostocker Evangelisch-Lutherischen Innenstadtgemeinde: marienkirche-rostock.de.
Ein Besuch der Marienkirche ist unbedingt zu empfehlen. Vor allem, aber nicht nur wegen einer Besonderheit: die astronomische Uhr in der Kirche. Ihr Ticken hallt geheimnisvoll durch die Kirche. „Ticken“ umschreibt den Klang der mächtigen Uhr allerdings nicht annähernd …
Versuchen Sie, die Kirche zu besuchen, wenn sie leer und still ist. Dann ist der Klang am beeindruckendsten.
Die 11 m hohe astronomische Uhr in der Rostocker Marienkirche wurde 1472 gebaut. Sie funktioniert immer noch und wird täglich aufgezogen. Sie hat zwei Scheiben: oben die wunderbar gestaltete Uhrscheibe, unten das Kalendarium. Letzteres reicht 133 Jahre, danach muss es ausgewechselt werden. 2017 wurde die nunmehr fünfte Scheibe montiert.
Zur Funktion und Geschichte der astronomischen Uhr gibt es für wenige Euro in der Kirche ein Heft. Einen kurzen Überblick über das, was man alles auf den beiden Scheiben ablesen kann, finden Sie auch im Folgenden auf dieser Seite.
Die Uhrscheibe umfasst außen drei Ringe und in der Mitte die Sonnen- und die Mondscheibe. Ich beschreibe die Anzeige der Uhr für den 27. November 2025 um 11:37 Uhr, 7 Tage nach Neumond, einen Tag vor Halbmond.
Ganz außen liegt der Stundenring mit 24 Stunden. Die Stunde wird mit den römischen Ziffern I bis XII bezeichnet, wobei diese zweimal aufeinanderfolgen – einmal für den Tag (obere Hälfte des Stundenrings), einmal für die Nachtstunden (untere Hälfte des Rings), insgesamt wird also der gesamte von Zyklus von 24 Stunden durchlaufen (während gewöhnliche Zeigeruhren die Stunden nur von 1 bis 12 zählen und für 13 bis 24 noch mal denselben Kreis ablaufen.
Entgegen der sonst üblichen Schreibweise IV ist die 4 hier als IIII geschrieben.
Der Stundenzeiger ist ein Doppelzeiger, am einen Ende trägt er eine Hand, am anderen einen Stern. Die Hand zeigt die gültige Stunde an – am Tag in der oberen Hälfte des Rings, nachts in der untere Hälfte. Einen Minutenzeiger gibt es nicht. Im Bild zeigt die Stellung des Stundenzeigers eine Zeit von ca. halb zwölf am Tage an; tatsächlich war es 11:37 Uhr.
Im nächsten Ring sind die Sternzeichen in Form von geschnitzten Figuren dargestellt. Es beginnt rechts mit dem Widder. Entgegen dem Uhrzeigersinn folgen dann: Stier, Zwillinge, Krebs, Löwe, Jungfrau, Waage, Skorpion, Schütze, Steinbock, Wassermann und Fische. Beim Wassermann fällt auf, dass dieser nicht etwa als Poseidon mit Dreizack oder ähnlich dargestellt ist, sondern als Mann, der Wasser aus einem Krug gießt. Die Übersetzung aus dem Griechischen bedeutet wohl auch „Wassergießer“.
Noch einen Ring weiter innen finden wir die Monatsnamen, illustriert von menschlichen Figuren, die jahreszeitlich typische Handlungen durchführen (pflanzen, säen, umgraben, ernten, schlachten usw.)
Im Zentrum liegt eine dunkle Scheibe mit einem Loch, die Sonnenscheibe. Das Loch sitzt nicht mittig, sondern zwischen dem Scheibenmittelpunkt und dem Scheibenrand, hat also den halben Radius der Sonnenscheibe.
Am Rand der Sonnenscheibe ist ein Zeiger befestigt, der mit einer Sonne verziert ist. Der Zeiger wandert mit der Drehung der Sonnenscheibe einmal pro Jahr ganz herum, und zwar entgegen dem Uhrzeigersinn. Dabei durchwandert er die Monate und Sternzeichen. Das Datum kann man dadurch abschätzen, aber nicht genau ablesen.
Hier zeigt der Sonnenzeiger ein Datum Ende November an, im ersten Drittel des Sternbildes des Schützen. Tatsächlich war es der 27. November.
Am äußeren Rand der Sonnenscheibe sind die Zahlen von 1 bis 29 aufgezeichnet, das sogenannte Mondalter. Damit kommen wir zur Mondscheibe.
Die Mondscheibe sitzt unter der Sonnenscheibe, von ihr ist nur der kreisförmige Ausschnitt zu sehen, der im Loch der Sonnenscheibe liegt. Auch an der Mondscheibe ist ein Zeiger befestigt, der sich mit dieser mitdreht. Er ist mit einem Mond verziert.
Die Mondscheibe dreht sich einmal in gut 27 Tagen komplett herum, ebenfalls entgegen dem Uhrzeigersinn.
Hier stutzt man vielleicht, weil ein Mondzyklus bekanntlich ca. 29,5 Tage dauert – so lange dauert es, bis wir wieder dieselbe Mondphase sehen, also z. B. zwischen zwei Vollmonden. Eine Mondphase (Vollmond, Halbmond, Neumond usw.) bezeichnet eine bestimmte Stellung von Sonne und Mond zueinander.
Bei der Dauer einer Mondumrundung muss man unterscheiden, ob man von der Erde aus den Mond beobachtet, oder von außerhalb auf das Erde-Mond-System blickt. Von außerhalb betrachtet wandert der Mond in gut 27 Tagen um die Erde herum (der so genannte siderische Monat, wobei siderisch bedeutet „auf Fixsterne bezogen“. Weil sich in diesen 27 Tagen aber auch die Erde auf ihrer Umlaufbahn um die Sonne weiterbewegt hat, hat der Mond nach einer Erdumrundung noch nicht wieder dieselbe Position in Bezug auf die Sonne erreicht, das heißt, er zeigt noch nicht dieselbe Mondphase wie zu Beginn der Umrundung. Er muss noch ein Stück weiterwandern, deshalb dauert es noch etwas mehr als 2 Tage länger, bis wir wieder dieselbe Mondphase sehen können, womit wir von der Erde aus eine Dauer von 29,5 Tagen von Vollmond zu Vollmond beobachten.
Dies hat der Konstrukteur der astronomischen Uhr berücksichtigt. Die Mondscheibe mit dem Mondzeiger rotiert im siderischen Monat in 27 Tagen einmal um sich selbst.
Dabei ergibt sich immer ein bestimmter Winkel zwischen dem Mondzeiger und dem Sonnenzeiger. Dieser Winkel entspricht der Mondphase. Da sich der Sonnenzeiger im Jahresverlauf einmal ganz herum dreht, ergibt sich hier genau der Effekt, dass es 29,5 Tage dauert, bis die beiden Zeiger wieder denselben Winkel zueinander haben.
Bei Neumond liegen beide Zeiger genau übereinander, bei Vollmond liegen sie sich genau gegenüber, bei den beiden Halbmonden bilden sie einen rechten Winkel. Das entspricht auch der tatsächlichen Stellung von Sonne und Mond zueinander: Bei Vollmond steht der Mond der Sonne gegenüber, bei Halbmond bescheint ihn die Sonne „von der Seite“ und bei Neumond steht er von uns aus gesehen in derselben Richtung wie die Sonne, d. h. zwischen Erde und Sonne und wir sehen nur die unbeleuchtete Seite bzw. sehen sie eben nicht.
Auf der Mondscheibe sind ein Vollmond und ein Neumond aufgemalt, von denen je nach Mondphase ein Ausschnitt im Loch der Sonnenscheibe erscheint. Bei Vollmond sehen wir das helle Vollmondgesicht, bei Neumond das dunkle Neumondgesicht. Im Beispiel sind beide Mondgesichter fast gleich groß, der von links ins Loch kommende helle Mond ist nur wenig kleiner als der nach rechts verschwindende dunkle Teil, der Unterschied ist kaum wahrzunehmen. Tatsächlich war es einen Tag vor dem zunehmenden Halbmond, 7 Tage nach dem Neumond. Das zeigt mir der Kalender, in dem die Mondphasen eingetragen sind, aber auch der Ring mit den Zahlen von 1 bis 29 am Außenrand der Sonnenscheibe. Diese Zahlen geben das so genannte Mondalter an, gerechnet in Tagen von Neumond an. Der Mondzeiger steht in diesem wie zu erwarten unter der 7. Auch der Mondzeiger durchläuft die Tierkreiszeichen, am 27. November 2025 steht er im Zeichen der Fische.
Im unteren Teil der Uhr sitzt das Kalendarium. Um dieses herum sind ebenfalls die Tierkreiszeichen angeordnet, diesmal allerdings im Uhrzeigersinn. Dies ist auch die Drehrichtung der Kalenderscheibe.
Abb. 6 zeigt ein Foto des Originals, Abb. 7 eine Skizze auf das Wesentliche reduziert für ein leichteres Verständnis
Die äußeren sechs Ringe gelten für jedes beliebige Jahr. Im äußersten Ring steht die Anzahl Tage für jeden Monat – allerdings als ausgeschriebener Satz in lateinischer Sprache: November, habet dies 30. December, habet dies 31. usw.
Der nächstfolgende Zahlenring gibt das aktuelle Datum an, genauer: den Tag, denn den Monat hat man ja schon am äußersten Ring gesehen. Damit man auch weiß, welches Datum der aktuelle Tag hat, steht unten links neben der Scheibe eine Holzfigur, die einen Stab in der Hand hat. Die Scheibe dreht sich unter diesem Stab durch, sodass dessen Ende immer auf das aktuelle Datum zeigt – in diesem Fall auf den 27. November.
In Schaltjahren wurde die Scheibe nach dem 28. Februar für einen Tag angehalten. Damit hat man sich erspart, einen komplizierten Mechanismus für den Schalttag einzubauen.
Neben der 27 steht auf dem nächstinneren Ring ein B, dann folgt der Name „Busso“ und die Angabe 801.
Busso ist der zum Tag gehörende Heilige, das B ist der Tagesbuchstabe. Jeder Tag bekam einen der 7 Buchstaben A bis G zugewiesen, beginnend am 1. Januar mit A. Tage mit gleichen Buchstaben waren derselbe Wochentag. Der 1. Januar 2025 war ein Mittwoch, das B gehört demnach zu den Donnerstagen. Und tatsächlich war der 27. November 2025 ein Donnerstag.
Die Angabe 801 nennt den Sonnenaufgang und zwar in Lokalzeit, nicht MEZ. Es passt aber trotzdem, die Sonne ist um 8:01 Uhr aufgegangen. Damit man diesen Wert gleich findet, weist ein weiterer Zeiger, der von der Scheibenmitte ausgeht, auf die Sonnenaufgangszeit hin.
Drei Wochen vor Mittwinter sind die Tage an der Ostseeküste kurz und die Nächte lang – das liest man in der Mitte des Kalendariums ab. Hier zeigen zwei Hände auf die Länge von Tag und Nacht, jeweils in Stunden.
Die Sonne ging um 15:56 Uhr untergegangen, es war also 7 Std 55 min hell, entsprechend 16 Std 5 min dunkel. Das passt nicht ganz zur Anzeige der astronomischen Uhr, die 8 Std 30 min Helligkeit und 15 Std 30 min Dunkelheit für den 27. November anzeigt.
Die inneren 7 Ringe sind der Grund, warum das Kalendarium alle 132 Jahre ausgetauscht werden muss, denn sie geben Werte an, die immer nur für ein Jahr gelten. Die derzeitige Kalendariumscheibe ist von 2018, also noch bis 2150 gültig.
Von außen nach innen folgen auf die Sonnenaufgangszeiten:
Die güldene Zahl, die Jahreszahl, der Sonntagsbuchstabe, der Sonnenzirkel, die Römerzinszahl, die Zeitspanne zwischen Weihnachten und Fastnacht (in Wochen und Tagen) und schließlich das Osterdatum.
Alle 19 Jahre fallen die Mondphasen auf dasselbe Datum. Da am 29. November 2025 zunehmender Halbmond war, wird dies auch am 29. November 2044 so sein. Es gibt also einen 19-jährigen Zyklus für die Daten der Mondphasen. Deshalb ist jedem Jahr fortlaufend eine Zahl zwischen 1 und 19 zugeordnet. 2025 hat die güldene Zahl 12, in 7 Jahren wird die Zählung also wieder bei 1 beginnen. Wenn man sich nun fragt: Wozu braucht das jemand?, darf man nicht vergessen, dass das Christentum damals eine sehr viel wichtigere Rolle spielte als heute – es ging um das Berechnen der Osterdaten, die unter anderem durch die Mondphase bestimmt werden.
Wir hatten ja schon bei der Uhrscheibe mit den Tagesbuchstaben zu tun. In jedem Jahr ist ein anderer der 7 Buchstabe der des Sonntags. Für 2025 liest man E ab – was zum B für Donnerstag passt: C = Freitag, D = Samstag, E = Sonntag. Schaltjahre haben zwei Sonntagsbuchstaben, einen für die Zeit vor dem 29. Februar, einen für die Zeit danach. Kennt man den Sonntagsbuchstaben, kann man auch die Buchstaben der anderen 6 Wochentage ermitteln oder umgekehrt mit dem Ring der Tagesbuchstaben für jedes beliebige Datum den Wochentag bestimmen.
Wir hatten eben schon den 19-jährigen Zyklus der Mondphasen. Ähnlich gibt es einen 28-jährigen Zyklus, nach dem sich ein Kalender wiederholt. Hat man sich für 2025 einen schönen Fotokalender gekauft, kann man diesen (bis auf die Jahreszahl) im Jahr 2053 wieder benutzen, der für 2026 ist 2054 wieder gültig usw. (Bei den Feiertagen muss man gucken – da Ostern sich nach den Mondphasen richtet, wiederholen sich diese Tage nicht unbdingt.) Es sind 28 Jahre, weil sich nach diesem Zeitraum der Kalender eines Schaltjahres wiederholt. Wir befinden uns 2025 im 18. Jahr dieses Zirkels, mit dem Schaltjahr 2036 beginnt der nächste wieder mit 1. Alle Jahre mit der gleichen Sonnenzirkelnummer haben denselben Kalender.
Das ist ein Wert, den man heute nicht mehr braucht. Nach einem römischen Steuergesetz aus dem Jahre 313 gab es einen 15-jährigen Steuerzyklus, in dem die Jahre von 1 bis 15 durchnummeriert wurden. Was genau das für die Steuern bedeutete, habe ich nicht herausgefunden.
Während Weihnachten immer am selben Datum ist, hängt Fastnacht vom Osterdatum ab. Veilchendienstag liegt immer 48 Tage vor Ostern. 2025 betrug diese Zeit 9 Wochen und 6 Tage laut Kalendarium – was zum Datum 4. März für Faschingsdienstag passt.
Im innersten Ring schließlich kann man das Osterdatum des jeweiligen Jahres ablesen, den 20. April für 2025, was mit der modernen Kalender-App übereinstimmt, auch die legt den Ostersonntag auf den 20. April.
Um noch mal auf die Mondphasen zu sprechen zu kommen: Ostern fällt immer auf den Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond, wobei der Frühlingsanfang auf den 21. März festgelegt wurde. Damit fiel der erste Frühlingsvollmond 2025 auf Sonntag, den 13. April. Der nächste darauffolgende Sonntag war der 20. April.
© Wiebke Salzmann, Dezember 2025