freie Lektorin und Autorin
Auf dieser Seite tropft der Stein …
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Kalkstein besteht aus Calciumcarbonat. Kalkstein ist sehr anfällig gegen chemische Verwitterung. Zwar löst Calciumcarbonat selbst sich nur schwer in Wasser; wenn jedoch Kohlendioxid dazu kommt, bildet sich das sehr leicht lösliche Calciumhydrogencarbonat (siehe unten).
Während bei physikalischer Verwitterung der Stein mechanisch zerkleinert wird, bspw. durch Wind, Niederschläge oder Fließgewässer, wird er (bzw. die chemischen Stoffe, aus denen er besteht) bei chemischer Verwitterung in andere chemische Stoffe zersetzt.
Wenn der Kalkstein aufgelöst wird, entstehen Risse im Stein. Bereits in kleine Risse kann (Regen-)Wasser eindringen und die Bestandteile des Kalksteins weiter auflösen, die Risse werden größer, mehr Wasser kann eindringen usw – und schließlich entstehen Höhlen.
Was genau geschieht chemisch bei der Lösung von Kalk? Das Regenwasser nimmt aus der Luft Kohlendioxid auf. Aus Wasser und Kohlendioxid bildet sich Kohlensäure. Diese reagiert mit Calciumcarbonat zu Calciumhydrogencarbonat, das sich sehr gut in Wasser löst:
H2O + CO2 → H2CO3
H2CO3 + CaCO3 → Ca(HCO3)2
oder in eine Reaktionsgleichung zusammengefasst (der Doppelpfeil trägt der Tatsache Rechnung, dass jede chemische Reaktion auch in die Gegenrichtung ablaufen kann):
H2O + CO2 + CaCO3 ⇔ Ca(HCO3)2
Während das Wasser in Rinnen und Klüften durch den Kalkstein rinnt, löst es auf die Weise so lange Carbonat auf, bis es gesättigt mit Carbonat ist – also kein weiteres Calciumcarbonat mehr aufnehmen kann. Trifft das rinnende Wasser nun auf einen Hohlraum (wie eine Höhle), kommt es dort mit Luft in Berührung. Daraufhin verlässt Kohlendioxid das Wasser – das heißt, Calciumhydrogencarbonat zersetzt sich wieder in Wasser, Kohlendioxid und Calciumcarbonat. Rinnt das Wasser nur langsam bspw. an einer Höhlendecke entlang, bildet es aufgrund der Oberflächenspannung Tropfen. Eine Ansammlung von Tropfen hat zur Umgebungsluft eine größere Oberfläche als dieselbe Menge Wasser in einem zusammhängenden Wasserkörper oder -film. Die Abgabe von Kohlendioxid wird durch die große Oberfläche erleichtert.
Durch das Entweichen von Kohlendioxid bleibt im Wasser Calciumcarbonat übrig, das nur schlecht löslich ist – Kalk fällt aus (d. h., er setzt sich aus der Lösung als feste Substanz ab) und bildet neuen Kalkstein. Diesen neu entstandenen Kalkstein nennt man Tropfstein oder Sinter. Im Laufe der Zeit bilden sich so an der Höhlendecke Zapfen (Stalaktiten) oder andere Strukturen. Fällt der Tropfen schließlich herunter, zerplatzt er beim Auftreffen auf den Boden. Die Oberfläche zur Umgebungsluft vergrößert sich nochmals (viele kleine Tropfen haben eine größere Oberfläche als ein großer), wiederum tritt Kohlendioxid aus und in der Folge fällt auch am Boden Kalk aus, ein Stalagmit entsteht.
Wichtig ist, dass der Kalk sich nicht ablagert, weil das Wasser verdunstet, sondern weil es Kohlendioxid abgibt und das zurückbleibende Calciumcarbonat schlecht löslich ist und das Wasser deshalb auch verlassen muss.
Wie schnell dieser Prozess vor sich geht, hängt von der Temperatur, der Wassermenge, dem Kalk- und dem Kohlendioxidgehalt des Wassers ab. Größenordnungsmäßig liegt die Wachstumsgeschwindigkeit bei 0,1 mm pro Jahr. Auch die Beschaffenheit der Gebirgsoberfläche ist von Bedeutung: Ist die Oberfläche nur wenig bewachsen und nur wenig oder gar nicht von Humus bedeckt, nimmt das Wasser nur wenig Kohlendioxid auf und kann entsprechend wenig Kalkstein lösen und wieder ablagern. Die Tropfsteine wachsen daher in Höhlen unter unbewachsenen Böden langsamer.
Durch die Entstehung erklärt sich auch der Name: Tropfstein ist ein Stein, der von tropfendem Wasser gebildet wird.
Tropfstein ist eine Form von Sinter. Allgemein werden mit Sinter Ablagerungen bezeichnet, die entstehen, wenn in Wasser gelöste Minerale sich abscheiden. Im Fall von Tropfstein sind das (meist) Kalkablagerungen, es gibt jedoch auch andere Sinterarten. Beispielsweise zählen auch die Feuersteinknollen, die sich in der Kreide gebildet haben, zum Sinter. Auch Feuerstein bildet sich durch Ablagerung aus einer wässrigen Lösung (in diesem Fall einer kieselsäurehaltigen) in den Poren des umgebenden Gesteins (hier: der Kreide).
Die hier gezeigten Fotos haben wir in zwei Höhlen aufgenommen:
– der Kubacher Kristallhöhle; Webseite der Höhle: http://www.kubacherkristallhoehle.de/
– der Tropfsteinhöhle „Herbstlabyrinth“ bei Breitscheid; Webseite der Höhle: http://www.zeitspruenge.de/index.php/schauhoehle-herbstlabyrinth
Wenn durch Tiere oder Menschen oder über Luft oder Wasser Samen oder Sporen in die Höhle getragen werden, genügt oft das Licht der Höhlenbeleuchtung, um Pflanzen wachsen zu lassen. Deshalb nennt man diese Pflanzen Lampenflora. Solche Lampenflora kommt natürlicherweise nicht vor und entsteht nur in beleuchteten, d. h. für Touristen erschlossenen, Höhlen. Da die Pflanzen Säuren ausscheiden, können sie den Tropfstein angreifen. Man versucht daher, die Beleuchtung so gering wie möglich zu halten. Es gibt Hinweise, dass LED-Lampen die Lampenflora weniger fördern.
© Wiebke Salzmann, Dezember 2013