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Rosenkaefer

Interferenzen an dünnen Schichten – Geschichte

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Abwaschberge

Michaela, die Assistentin für alles Philosophische und Psychologische, Yoga und Wellness. Chronisch unfrisiert liebt sie alles Chaotische, Kreative und möchte deshalb natürlich Leben im Universum haben.
Luzie, die Assistentin aus dem Untergeschoss, zuständig für alles Brennbare und Explosive, ist der Untergang aller Ordnung und Symmetrie und der Ruin der Nerven ihrer Kolleginnen.
Laplacie, der Laplacesche Dämon, der als fleißiger HiWi immer für Ordnung sorgt und für den nur die Quantenmechanik schlimmer ist als das Aufeinandertreffen aller drei Kolleginnen.
Gott, der Chef, der mit unerschütterlicher Ruhe die Kolleginnen und ihre Arbeiten dahin lenkt, wo er sie hinhaben will, zu einer funktionierenden Physik und irgendwann der Entstehung von Bakterien, Quallen, Nashörnern und anderen Lebewesen.
Gabriela, die Assistentin für Naturwissenschaften. Stets exakt frisiert hält sie hochsymmetrische Zustände für den Inbegriff von Schönheit und steht der Idee, Leben und das damit verbundene Chaos im Universum entstehen zu lassen, mit Skepsis, um nicht zu sagen, tief empfundenem Abscheu gegenüber.

„Grummel, grummel ... wer bin ich denn? ... Grummelgrumm, ... bin ich hier denn der Trottel vom Dienst? ... rumgrumgrummel ... ich gründ diese Gewerkschaft am besten gleich heute noch ... grumgrummel ...“
„Eine Gewerkschaft willst du gründen, Laplacie?“ Gott machte vorsichtig eine Lücke in den Schaumberg, um einen Blick auf seinen Lieblingsdämon dahinter werfen zu können. „Und um dich für die Gründerversammlung fein zu machen, nimmst du ein Schaumbad?“
„Schaumbad?“ Laplacie stemmte empört die Arme in die Seiten. Ein Fehler, wie sich herausstellte, als die 356 optischen Linsen, die er in eben diesen Armen gehalten hatte, zu Boden klirrten. Laplacie ließ sich dadurch nicht aus dem Konzept bringen. „Das is kein Schaumbad – das is Abwaschwasser! Ich soll diesen Berg Linsen und Prismen abwaschen! Sind nich sauber genug für die ach so hochwichtigen Experimente der ach so hochgeschätzten Kollegin!“
„Ach. Und zum Abwaschen hast du keine Lust. Nun ja. Versteh ich irgendwie. Wir können bestimmt auch was spannenderes mit dem Schaum anfangen. Die Linsenscherben da braucht man sowieso nicht mehr abzuwaschen. Läuft das unter Weißglas? Dann bringen wir das mal zum Container.“
Gesagt, getan. Als Gott wieder bei der Wanne mit dem Schaum stand, holte er eine Drahtschleife aus der Gewandtasche. „Sieh mal, muss von unseren Induktionsversuchen übrig geblieben sein. Mal sehen ...“ Er zog die Schleife durch das Seifenwasser und blies in die Haut, die sich in der Schleife gebildet hatte. „Hübsch, nicht?“ Zufrieden verfolgte Gott die Bahn der davonschwebenden Seifenblase. „Und sie schimmert bunt. Wo ist die Kollegin eigentlich? Bei dem Klirren hätte sie doch eigentlich wie von der Tarantel gestochen her rasen müssen. Ist sie krank?“
Ununterbrochen Seifenblasen blasend machte Gott sich auf die Suche.
Nein, Gabriela war nicht krank. Gabriela lag im Kampf mit einer Lampe. Egal, wo sie sie hinstellte, irgendwann kam es immer so hin, dass ihr diese Lampe von hinten in die Brillengläser schien und der Reflex sie blendete, was kostbare Experimentierzeit kostete.
Gott sah sich das eine Weile an – während er weiterhin Seifenblasen blies, die sich in einem gewaltigen Bergrücken durch das Labor zogen – dann bemerkte er: „Können Sie nicht einfach etwas erfinden, was Ihre Brille reflexfrei macht? Sie sozusagen entspiegelt?“
„Entspiegeln? Hm. Ja, warum eigentlich nicht. Das kostet natürlich alles wieder kostbare Zeit, aber wenn ich anschließend schneller und effizienter arbeiten kann ...“ Noch leicht misstrauisch schob sie die noch spiegelnde Brille auf die Nasenspitze und sah darüber hinweg ihren Chef an. Erfahrungsgemäß trugen Gottes Vorschläge nicht zu dem bei, was Gabriela unter Effizienz verstand. Und ihr Blick fiel auf den Seifenblasenbergrücken.
„Was bitte sollen diese ganzen Seifenblasen in meinem Labor?!“
„Lassen Sie die Blasen in Ruhe!“ Michaela war gerade hereingekommen und baute sich schützend vor dem empfindlichen Riesenschaum auf. „Endlich mal etwas Schönes in diesem, diesem ... Sehen Sie nicht, wie wunderschön ... diese Zartheit, diese Farben – Gestalt gewordene Träume, Träume aus – aus ... aus ...“
„Ähm, Spülwasser?“ half Gott aus, als Michaela kein passender Ausdruck einfiel. Irgendwie war sie mit diesem allerdings auch nicht zufrieden. Sie sammelte die Seifenblasen um sich und brachte sie in einer Ecke in Sicherheit. Gott sah sich deshalb genötigt, eine weitere Blase als Demonstrationsobjekt zu blasen. „Also eigentlich sollten diese Seifenblasen gar nichts. Wir fanden nur Seifenblasenberge blasen netter als Abwaschberge abwaschen. Aber sehen Sie mal – diese Farben. Sie schillern in allen Regenbogenfarben. Möchten Sie nicht mal eine Theorie entwickeln, warum sie das tun?“ – „Dann vergisst sie den Abwasch!“ Das letzte war nur für Laplacie hörbar.
Gabriela nahm eine Lupe und verfolgte die Lichtstrahlen in der Seifenblasenhaut. Dann griff sie mehrere Bände theoretischer Optik aus dem Regal und blätterte eine Weile herum. Schließlich klappte sie die Bücher zu. „Regenbogen. Ja. Dies hier ist jedoch ein gänzlich anderer Effekt. Hier haben wir es mit Interferenz zu tun.“
„Ach so? Sie meinen, hier überlagern sich mehrere Lichtwellen, löschen sich aus oder verstärken sich, je nachdem, wie die Wellen aufeinandertreffen? Auslöschen tun sie sich, wenn Minima auf Maxima treffen; maximale Verstärkung gibt es, wenn Maxima auf Maxima treffen. Die anderen Fälle liegen irgendwo dazwischen. Aber warum wird es dann bunt? Halt, nicht verraten ... ah ja, ich sehe schon.“ Gott inspizierte die Vorgänge an der Seifenhaut. „An der Vorderseite der Seifenhaut wird das einfallende Licht reflektiert. Aber nur ein Teil des Lichtes, der andere dringt in die Seifenhaut ein. Und von dem eindringenden Licht wird wiederum ein Teil an der anderen Seite der Haut reflektiert. Wir haben also zwei reflektierte Strahlen, die vorn die Seifenhaut verlassen – den an der Vorderseite reflektierten und den an der Rückseite reflektierten. Gut, dass wir die Reflexion schon erfunden haben, sonst ginge das hier gar nicht. So. Und die beiden reflektierten Wellen überlagern sich nun. Die an der Rückseite der Haut reflektierte hat aber einen längeren Weg als die an der Vorderseite reflektierte. Das heißt, auch wenn vorher – also bevor die ursprüngliche Welle auf die Seifenhaut getroffen ist – beide an denselben Stellen die Maxima hatten – und das müssen sie gehabt haben, war ja ein und derselbe Strahl – haben sie das jetzt nicht mehr. Der Strahl mit dem längeren Weg ist sozusagen verschoben. Dafür haben Sie doch bestimmt wieder einen prima Ausdruck?“
„Phasenverschoben. Um Interferenz zu erzeugen, brauchen wir Lichtwellen, deren Phasen an allen Orten und zu allen Zeiten in einer festen Beziehung stehen. Wenn also beispielsweise die eine Welle irgendwo ein Maximum hat und die andere an derselben Stelle zur selben Zeit ein Zweidrittelminimum, muss das die ganze Welle entlang so sein und für alle Zeit so bleiben. Oder für so lange Zeit so bleiben, dass es lange genug ist. So ein Licht nennen wir dann ... wir nennen es ... ahja, kohärent. Wir nennen es kohärent. Das kann natürlich nur funktionieren, wenn beide Wellen dieselbe Frequenz haben. Bei den dünnen Schichten haben wir so einen Fall einer festen Phasendifferenz. Da die vorn und hinten reflektierten Lichtwellen aus derselben einfallenden Welle hervorgehen, haben sie zwangsläufig eine feste Phasenbeziehung.“
„Wusste ich‘s doch. Also, beide Strahlen sind gegeneinander phasenverschoben. Maximal verstärken tun sie sich, wenn die Phasenverschiebung so groß ist, dass wieder Maxima und Minima zusammenfallen. Treffen Maxima des einen auf Minima des anderen und umgekehrt, löschen sie sich aus. Prima – da haben wir ja die Farben! Weil alle Farben unterschiedliche Frequenzen haben, kommt es immer nur für bestimmte Frequenzen, also bestimmte Farben, so hin, dass sich die beiden vorn und hinten reflektierten Strahlen auslöschen. So, wie hier.“ Gott tippte vorsichtig an eine Stelle der Seifenblase. „Hier löscht sich das blaue Licht aus. Sehen Sie? Übrig bleibt der Rest, also die Komplementärfarbe gelb. Deshalb sehen wir die Blase hier gelb. Upps, sahen wir sie gelb. Jetzt ist sie geplatzt. Michaela! Haben Sie noch eine? Meine Seifenlauge ist alle!“
Ein Berg Seifenblasen kam herbeigeschwebt. „Aber nur eine, Chef!“ blubberte es aus dem Zentrum des Blasenberges. „Ich werde nicht diesen Inbegriff von Zartheit einem schnöden Experiment opfern!“
„Ja, ja. Nun sehen Sie mal hier. Weil die Seifenhaut unterschiedlich dick ist, ist der Wegunterschied zwischen den vorn und hinten reflektierten Strahlen überall anders, deshalb sehen wir unterschiedliche Farben.“
„Und wissen Sie, was so wunderschön an ihnen ist?“ blubberte es aus dem Blasenberg. „Wenn man sie unter verschiedenen Blickwinkeln betrachtet, verändern sich die Farben! Wir müssen unbedingt etwas erfinden, was diesen herrlichen Effekt ausnutzt. Ich denke mir gerade was aus.“
Gabriela verdrehte die Augen und musterte den Seifenblasenberg missmutig, während Gott um seine wertvolle Seifenblase herumging, sie von oben und unten betrachtete und feststellte, dass das mit den sich verändernden Farben daran lag, dass bei anderen Blickwinkeln Licht aus anderen Reflexionswinkeln ins Auge traf. Für jeden Winkel war aber auch der Wegunterschied ein anderer, das heißt, unterschiedliche Winkel führten zur Auslöschung unterschiedlicher Farben. Weshalb auch unterschiedliche Stellen der runden Seifenblase unterschiedlich schimmerten, da alle aufgrund der Kugelform einen anderen Reflexionswinkel aufwiesen.
„Fein. Na, da haben Sie doch auch gleich Ihr Problem mit Ihren nicht entspiegelten Brillengläsern gelöst!“ strahlte Gott Gabriela an. Die starrte perplex zurück. Was hatten denn jetzt die Seifenblasenfarben mit ihrer Brille zu tun? Aber zugeben, dass sie keine Ahnung hatte, wovon er sprach, ging natürlich auf keinen Fall. Zum Glück wuselte Michaela sich gerade aus den Seifenblasen hervor und präsentierte einen Satz Zeichnungen von Libellen. „Sehen Sie – es ist wunderbar! Wir konstruieren Insekten! Deren Flügel dann im Licht so schillern wie die Seifenblasen!“
„Ja, in der Tat, das sollten wir tun. Gabriela? Libellen könnten doch im Grunde sehr schön mit Interferenz vor sich hin schillern? Gabriela?“ Gabriela war nicht zu sprechen. Endlich war ihr aufgegangen, dass sie ihre Brille mit dünnen Schichten versehen musste, deren Dicke so bemessen war, dass einfallendes Licht bestimmter Farben sich auslöschte, wenn an Vorder- und Rückseite reflektierte Strahlen sich überlagerten. Damit verschwanden die Reflexe. Längst stand sie in einer der hinteren Laborecken und setzte das Projekt in die Tat um. Der Abwasch war ihr völlig entfallen.

© Wiebke Salzmann, Juni 2012

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